Gib mal dein Handy. Ich will mir deine Bilder anschauen!

Verfasst von: Kai Pistorio
Ein Smartphone wird von einer Person an eine andere übergeben.
Ein Smartphone wird von einer Person an eine andere übergeben.  Bild: von Künstlicher Intelligenz erzeugtes Bild (Gemini)
Stellen Sie sich vor, Sie werden auf der Straße angesprochen. Eine fremde Person bittet um Ihr Handy. Hilfsbereit ziehen Sie es aus ihrer Tasche. Doch bevor Sie es dem Fremden geben, werden Sie skeptisch und fragen nach, wozu der Unbekannte es haben möchte. Er antwortet: „Ich will deine Bilder anschauen“ Vermutlich werden Sie es nun nicht mehr aus der Hand geben. Wie steht es mit Ihrem Sicherheitsbewusstsein?

Immer, wenn mal wieder in der Politik über die nächste Eskalationsstufe der Datenüberwachung im Internet diskutiert wird, kommt das Gesprächsthema zwangsläufig auf. Die Regierung plante bis vor kurzem die Einführung eines Gesetzes, dass anlasslose Chatüberwachung erlauben sollte. Betroffen wären ausnahmslos alle Bürger Deutschlands. Unter dem Deckmantel der Strafvereitelung, oder der Strafverfolgung sollten Chats noch vor der Verschlüsselung mittels KI ausgelesen und ausgewertet werden (Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw41-de-aktuelle-stunde-chatkontrolle-1113344) . Dieses Vorhaben wurde zwar erst mal abgeblasen, wird aber im Dezember erneut zur Sprache kommen (Quelle: Kanzlei WBS, https://youtu.be/_QJI5Sg2nJw?si=FIOi6V06QPeaeB1f). Wird es dann verabschiedet, wird nur ein hohes Gericht daran noch etwas ändern können.

Schon vor diesem Artikel wurde mit zahlreichen Personen immer wieder über das Thema Datenschutz gesprochen. Die Standardantwort war fast immer die gleiche: „Du benutzt doch ein Android-Telefon, oder?“ Schon. Und da Android google gehört, ist auch klar, dass damit gemeint ist, dass die Daten auf dem Telefon schon längst in fremden Händen sein dürften. Ohnehin liegen bei vielen Nutzern die Daten bereits auf der Cloud. Dabei ist es ziemlich egal, welches Betriebssystem auf dem Smartphone installiert ist. Auch Microsoft geht mit Windows 11 nun diesen Weg. In den zahlreichen Diskussionen der letzten Jahre manifestiert sich die These, dass zwar über Datenschutz gesprochen wird, aber man es so hinzunehmen scheint.

Auch könnte man annehmen, die Leute sind es inzwischen leid, über dieses Thema zu sprechen. Vor allem, wenn mit warnend erhobenen Zeigefinger Fakten auf den Tisch gelegt werden. Egal, ob Sprachassistenten, Smartphones, Tablets oder auch Windows: Alle global Player stehen im Verdacht, die Daten ihrer Kunden zu vergolden. Selbst, wenn man Lösungsmöglichkeiten aufzeigt, wie man zumindest versuchen kann, die Flut an abfließenden Daten zu reduzieren, wird man dafür ausgelacht - denn ändern würde sich am Abfließen der Daten rein gar nichts. Da auf beiden Seiten keine Beweise vorliegen, enden diese Gespräche zumeist relativ schnell und ergebnislos.

Rein hypothetisch gesehen: Die Reaktion auf die direkte Forderung nach dem Smartphone wäre immer Vehemenz und Ablehnung. Denn in diesem Moment wird einem bewusst, dass die Person gegenüber tief in ihrer physischen Privatsphäre graben möchte. Aber warum sind wir bereit, diese digitale Grenze täglich ohne Gegenwehr verschieben zu lassen? Woran liegt es also, dass wir im Internet immer mehr Anbietern breitwillig unsere Daten hinterherwerfen? Die These, man könne nichts ändern, dient oft nur als bequeme Ausrede für die Geiz-ist-Super-Mentalität. Denn wenn es etwas umsonst gibt... Warum sollte einem das kostenlos überlassen werden? Die Bezahlung erfolgt nicht in Euro, sondern in digitaler Intimität.

Ja, jetzt haben wir schon wieder über den Datenschutz gesprochen. Erinnern Sie sich noch an die Einführung der Datenschutzgrundverordnung? Die meisten haben sie nie gelesen. Und diejenigen, die sie gelesen haben, haben teilweise nicht alles verstanden. Und diejenigen, die sie verstanden haben, sind die Juristen. In der Allgemeinheit kam das Thema nicht ganz so gut an. Viele reagierten damals mit Unverständnis. Tauchte aber plötzlich ungefragt ein Foto von sich selbst oder einem Familienmitglied bei einem befreundeten Profil im Internet auf, wurde sofort mit Anzeige gedroht, wenn es nicht sofort wieder gelöscht wurde.

Was die Chatkontrolle anbelangt, bin ich auch der Meinung, dass Straftäter überführt werden sollten, wenn es sich um schwere Straftaten handelt. Dass hierfür auch digitale Kanäle genutzt werden, ist im digitalen Zeitalter nachvollziehbar. Vor allem dann, wenn sich immer mehr Straftaten in das Internet verlagern. Dafür aber anlasslos alle Nutzer unter Generalverdacht zu stellen, ist auch falsch. Hier sollte ein Mittelweg gefunden werden, der die Rechte wahrt: Gezielte, anlassbezogene Ermittlungen auf richterliche Anordnung. Dies ist die klassische Ermittlungsarbeit des digitalen Zeitalters. Dafür braucht es dringend geschultes Personal (IT-Forensiker, Kriminalbeamte) und nicht die Ausrede der Rationalisierung. Wir brauchen keine Totalüberwachung, sondern eine schlagkräftige, rechtsstaatliche Cyber-Polizei.